24.08.2023 – Zum Streit zwischen Finanzminister und Familienministerin über "Kindergrundsicherung":
"Kindergrundsicherung" versus(?) "Wachstumschancengesetz"
- ein Streit über die nationalen Prioritäten
Ein
Bundesfinanzminister betont angesichts der Unzufriedenheit mit der
wirtschaftlichen Lage Deutschlands die Unterstützung der
Unternehmerwirtschaft mittels sog. Wachstumschancengesetz, wo es
u.a. um Steuererleichterungen geht. Dagegen hält er Ausgaben für
Soziales, dem Projekt einer Zusammenfassung sonst getrennt
existierender Armutsbetreuungsmaßnahmen zu sog. Kindergrundsicherung
für vergleichsweise vernachlässigbar und bringt hier
Haushaltskürzungen an (allenfalls 2 Mrd. Eur jährlich will er
zugestehen, während die Ausgangsforderung des Familienministerium
sich auf 'satte' 12 Mrd. beläuft, die lt. Indiskretionen inzwischen
auf Dreieinhalb Mrd. zurechtgestutzt worden sein sollen).
Gegen den Finanzminister und seinen restriktiven Vorgaben in Sachen
Soziales stellt die Familienministerin heraus, dass man Geld für
Armenbetreuung und Unterstützung der Wirtschaft nicht gegeneinander
ausspielen solle, insofern Kinder das (Human-)Kapital von morgen
seien. Warum die Armut auch unter denen grassiert, ist weiter kein
Aufhebens wert. Die Regentin über die Sozialabteilung des Staates
interessiert allenfalls, dass und wie die kapitalistisch erzeugte
Armut, letztlich mit befördert durch den Staat über dessen
Anerkennung der Benutzung Eigentumsloser als Geschäftsmittel freier
Unternehmer, nicht zum Hindernis dafür werden dürfe, dass arme
Kinder zu brauchbaren Dienstkräften für Wirtschaft und Nation oder
jedenfalls zu Anwärtern für die Reichtumsschaffung zum Nutzen des
Kapitals herangezüchtet werden. Die gute Frau gibt gleichzeitig zu
erkennen, dass kapitalistische Wirtschaftsförderung durchaus ihren
berechtigten Stellenwert habe, aber nicht so zu Lasten ihrer
Armenverwaltung gehen dürfe, wie der Finanzminister es plane; wie da
für zumindest Gleichrangigkeit von Wirtschafts- und Armutsbetreuung
plädiert wird, so soll dies Werbung machen für den gemessen an den
reklamierten Haushaltsmitteln außerordentlichen sozialen Einsatz des
Familienministerium - und täuscht sich darin, welche
nationalwirtschaftliche Räson der Ministerkollege für Finanzen
geltend macht: nützlichen Nachwuchs brauche die Kapitalwirtschaft
durchaus; die sozialen Ausgaben dafür stiften eben keinen
unmittelbaren Nutzen für Wirtschaft und Nation; dieser muss sich
erst in fernerer Zukunft erweisen aus Sicht des Ministers für
Finanzen. Außerdem beschränkt sich die Umsorgung der
Unternehmerwirtschaft gar nicht auf die Fachkräftefrage, sondern hat
wichtige andere Facetten, die Profitwirtschaft auf Vordermann zu
bringen, die wegen der akuten ökonomischen Lage umgehend umzusetzen
seien.
Der Streit über den Stellenwert von Sozialem und
Wirtschaftsförderung für das Vorankommen der Nation und ihrem
Geschäftswesen wird von Politikern und Öffentlichkeit überführt in
eine Frage der politischen Handlungsfähigkeit der Regierenden. Der
Dissens zwischen zwei Ministerien tritt seinem politischen Gehalt
nach zurück und interessiert ausschließlich unter dem Gesichtspunkt
der Durchsetzung des einen oder anderen Politikansatzes,
wofür als oberstes Gebot statt Debattiererei unbedingte
Geschlossenheit, flottes Durchregieren die politische Agenda zu
bestimmen hätte; nach SPD-Vorsitzenden Klingbeil bloß keinen Streit
über die eine oder andere Positionierung (Grund und Zweck von
Sozialem einerseits und Wirtschaftspolitik andererseits sind sowieso
nie Gegenstand im Politikgeschäft, sondern nichts anderes, als was
Nation und Kapitalwirtschaft nützt), wenn eine angebliche
"Umbruchphase", meint nationalwirtschaftliche Ausrichtungen unter
Titeln wie Energiewende, Digitalisierung, Bewältigung eines
Fachkräftemangels und ihre Ertragsaussichten für den
nationalen Kapitalismus anstünde, die ohne Umstände herbeizuregieren
wären. Denn auch der Bürger verlange, dass ihm ohne Umschweife
vorbuchstabiert werde, wo es lang geht, auf welche neuen Härten er
sich einzustellen habe; das nennt sich nach Klingbeil die Stiftung
von Orientierung und Sicherheit, nämlich in Sachen der Ansagen der
Obrigkeit, denen sich mit größter Selbstverständlichkeit zu beugen
ist.
Wenn in der Öffentlichkeit vertreten wird, dass überhaupt gestritten
werde, sei der Makel, so kriegt man bestätigt, wie weltfremd es der
demokratischen Debattenkultur unterkommt, eine Sache auf Stimmigkeit
oder Unstimmigkeit zu prüfen und daraus die sachgerechten Schlüsse
zu ziehen; ein Scholz gibt auf einem Unternehmertag zum Besten, es
müsse erst entschieden werden, dann könne man darüber,
jawohl über das, was die Bürger per Regierungsbeschluss sich
gefallen zu lassen haben, reden. Dies ist das Plädoyer für absolute
Souveränität der Herrschenden, dass es einzig ihnen zukommt, hinter
verschlossenen Regierungstüren auszukungeln, was die Fortschritte
der Nation gebieten und dem Volk samt Öffentlichkeit als
unhintergehbar zu präsentieren; von wegen, da gäbe es keinen Streit:
der verläuft als Konkurrenz der Regierungsparteien, wer sich gegen
wen mit welcher Marschroute entlang der durchaus kontrovers
vorgebrachten nationalen Erfordernisse durchsetzt.
Auch Wirtschafts- oder Sozialexperten geben falsch und parteilich
ihren Senf zur Debatte über das Verhältnis von Sozialbetreuung und
Wirtschaftsförderung dazu: Ein Fratscher von einem
Wirtschaftsinstitut rechnet unter Bezugnahme einer Studie 20 Mrd.
für "Armutsbekämpfung" gegen 100 Mrd. Lasten wegen des Ausmaßes von
Armut auf, welche letztere angeblich mit den 20 Mrd. vermieden
werden könnten. Diese Rechnung soll den Finanzminister überzeugen,
dass kräftige Ausgaben für Soziales sich letztlich für den Staat
auszahlen würden. Es ist dies auch hier kein Einspruch gegen Armut,
wo man sich Rechenschaft abzulegen hätte, was diese mit der
herrschenden Staats- und Wirtschaftsräson zu tun hat, wenn die
Bewältigung bis hin sogar Befreiung von Armut als Nutzen für die
Nation vorgetragen wird, wozu auch der Hinweis auf Kinder als
künftige Arbeitskräfte im Dienste des Geschäfts nicht fehlen darf.
Bloß rechnet der Finanzminister anders: einen unmittelbaren Effekt
für die von ihm reklamierten wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten
haben die schönen Sozialausgaben eben nicht; das, was sich
Sozialpolitiker von einer Kindergrundsicherung versprechen, müsse
auf entsprechend deutlich niedrigem Niveau und auch nicht einfach
als Geldausschüttung in die Haushaltskassen von Armen zu besorgen
sein.
P.S.:
Nach Meldungen v. 20.8.23 (ZDF-Text, ARD-Text) überschlagen sich FDP
und CDU in der Propaganda für den absoluten Vorrang der nationalen
Geschäftemacherei, der der Staat mit seinen Förderinstrumenten
Rechnung zu tragen habe.
Ein FDP-Fraktionsvorsitzender: "Mehr Geld vom Staat" leisteten
"keinen Beitrag zu Wachstum und Wohlstand".CDU-Fraktionsvize Spahn:
die Politik müsse dem Wirtschaftswachstum "höchste Priorität"
einräumen; alles andere müsse zurückstehen.