Projekt  kritische Analyse
bürgerlicher Sozialpolitik

Sozialreformen in der BRD
- Analyse und Kritik -
 
 
    
Deutsche Gesundheitspolitik


25.01.2022 - zu einer neuen, "revolutionären" Krankenhausreform 2022/23:


Was als „Revolution“ in der Krankenhauslandschaft ausgerufen wird, belegt wiederholt die Unzufriedenheit des Volksgesundheitsaufsehers,
wie die staatlich geforderte kostensparsame Reparatur am kranken Volkskörper, damit der wieder funktioniert für die Profitanstalten der Nation, nicht zusammengeht mit den zugleich hoheitlich ins Recht gesetzten kommerziellen Rechnungen der Krankenanstalten.


Vorbemerkung:

Es geht bei dieser Stellungnahme zunächst um Vorläufiges dessen, was von einer Krankenhauskommission als erneute große Krankenhausreform vorgeschlagen wurde. Egal, was da später gesetzgeberisch umgesetzt wird, die Grundlinien der Änderungen, auf die im Folgenden eingegangen wird, werden da wiederzufinden sein.

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Es soll mit Jahreswechsel 2022/23 eine regelrecht als „Revolution“ ausgerufene neue Grundsatzreform im Gesundheitswesen angegangen werden. Als Begründung wird angeblich ein Zuviel an „Ökonomisierung“ statt Konzentration aufs Medizinische geliefert. Sowohl das eine als auch das andere stammt eher aus der ideologischen Mottenkiste des Bundesgesundheitsministers Lauterbach.

Denn: die behauptete Revolution bezeichnet nichts anders als eine Variante des immergleichen „Strukturproblems“ hier der Krankenhäuserlandschaft. Wenn jetzt weitgehend von dem sog. Fallpauschalensystems abgegangen wird, dann kann man bzgl. dessen gerade festhalten, dass die Krankenanstalten kräftig ihrem Auftrag nachgekommen sind, den medizinischen Behandlungen einiges an Kosten zu ersparen. Was den Staat wie im Zuge jeder Reform immer mal wieder stört, ist, wie die Gesundheitsakteure dem nachgekommen sind. Denn die gesundheitspolitisch gewollten Kosteneinsparungen und die dafür eingesetzten Hebel, nämlich die ökonomischen Rechnungen der Krankenhäuser in ihrer Eigenschaft als Wirtschaftsunternehmen, haben Folgen gezeitigt, die der oberste Gesundheitsaufseher mit seiner Kosteneinspardirektive so nicht haben will: er beklagt als Wirkung der krankenhausseitig gehändelten Fallpauschalen sowohl Phänomene der Unterversorgung, wenn Behandlungen oder gleich ganze Abteilungen den Krankenhäusern wirtschaftlich zu wenig ertragreich erscheinen – als auch solche der „Überversorgung“, wenn über die Häufung von Behandlungsfällen, also auch fragwürden Eingriffen, und aufgrund der ausnutzbaren Differenz zwischen Zuweisungen aus den Pauschalen und einzusetzendem Aufwand es lukrativ erscheint. – Ein durchsichtiges Märchen ist, dass jetzt statt das Ökonomische das Medizinische in den Vordergrund rücken würde. Das Medizinische stand schon seit jeher unter dem Diktum des Wirtschaftlichen: die gesundheitspolitisch anvisierte Besorgung von des Volkes Gesundheit, zu dem einzigen Zweck der Funktionserhaltung für die Kapitalvermehrungsanstalten der Nation – für sich alles andere als ein menschenfreundliches Anliegen, wenn es um die Leute als Material profitlicher Benutzung geht - , deren solide finanzielle Abwicklung im Staatssinne und wie die Krankenhausverantwortlichen dies zur Grundlage ihres, vom Staat konzedierten Ertragsinteresses machen, klaffen ein um andere Mal auseinander.

Es sollen die Reformschritte nicht in allen Einzelheiten nachvollzogen werden. Nur dies: Es geht einerseits um mehr Ambulantisierung, d.h. weg von den Liegezeiten in Krankenhäusern und damit um durchgreifende Einspareffekte, die gefördert werden durch sinkende Dotierungen von Krankenhausaufenthalten.

Zudem wird eine Selektion in der Krankenhauslandschaft auf den Weg gebracht mittels sog. Levels und Leistungsgruppen: Grundversorgung einerseits mit nur noch elementaren Operationsbefugnissen und in der Hauptsache für Pflegeaufgaben an Operierten auch über Zuführung aus höherstufigen Häusern zuständig (also Pflegekostensenkung in letzteren, die zusätzlich in Anstalten der Grundversorgung vorangetrieben wird durch Absenken der Pflegetagessätze mit zunehmenden Anstaltsaufenthalt der Patienten) - und Krankenhäusern, denen Spezialisierungen vorbehalten sind – auch über Zusammenlegung von Anstalten und kostensenkenden Rationalisierungen bei den Operationsabläufen (Organisierung von Eingriffen wie am Fließband)

Das großartig Neue soll die sog. Vorhaltefinanzierung sein, womit Grundausstattung unabhängig von den Behandlungsfällen finanziert werden soll, aber nur zu einem Teil, um Anreize für Kostenabsenkungen zu erhalten. Überhaupt: die Umverteilung weg von den Mitteln für Fallpauschalen (die selbst noch z.T. Bestandteil der Abwicklung der Versorgung sind) ist die Klarstellung: bloß nicht mehr Mittel ins System, damit es dem Medizinischen nützt, wie von L. groß hinausposaunt. Die Häuser haben also mit den knapp bemessenen Vorhaltebudgets klarzukommen. Ob das der Versorgungsqualität dient, ist eher anzuzweifeln. Die sog. Strukturvorgaben als Voraussetzung für Einordnung in bestimmter Leistungsgruppe tritt da auf jeden Fall neue/alte Berechnungen los: so die Kosten für deren Einhaltung sich nicht rechnen, wird sich von entsprechenden Bereichen/Abteilungen getrennt, welches dadurch freiwerdende Versorgungspotential anderen Häusern zufällt (darüber das Antreiben des Konzentrationsprozesses: über die schnelle Abarbeitung hohen Patientenaufkommens in Großkrankenhäusern den Ertrag voranbringen).

Denn schon erahnen die Reformer in Sachen Vorhaltefinanzierung erneut Fehlentwicklungen, dass mit der Zuweisung unterschiedlich hoher Vorhaltekosten es „zu Leistungsverschiebungen in Leistungsgruppen mit geringem Vorhaltekostenanteil kommt.“

Es wird generell das Prinzip, von dem aus bei den Fallpauschalen falsche Anreize moniert wurden, gar nicht aufgegeben; die Grundlage, auf der die Krankenanstalten dem bleibenden Grundsatz der Kostenminimierung gehorchen sollen, verändert sich: statt fallbezogen soll dies seine Wirksamkeit bezogen auf die definierten Leistungsgruppen und denen zugewiesenen fallunabhängigen Vorhaltebudgets entfalten, bei denen die Kostensenkungsvorgaben explizit über die nur teilweise Abdeckung der Fixkosten den Einsparwahn befeuern. Und was heißt hier, über das partielle Abgehen von den Fallpauschalen den ökonomischen Druck von den Anstalten nehmen: wenn an der Vorhaltefinanzierung einerseits und dem Händeln der tatsächlichen Kosten andererseits die wirtschaftliche Situation hängt, dann sind fortgesetzt „Fehlentwicklungen“ absehbar, die mit dem neuen Finanzierungssystem bezogen auf das bisher dominante Fallpauschalensystem jedenfalls eingegrenzt werden sollen. – Mit der Aufrechterhaltung des Fallpauschalensystem neben den anvisierten Vorhaltebudgets öffnen die Reformen die Schleusen für die früher beklagten „Verwerfungen“, wenn den Krankenhäusern der höhere Fallpauschalenanteil zupass kommt.

Quelle:
Dritte Stellungnahme und Empfehlung der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung v. 06.12.22