03.08.2022 - Sendung
"Agenda"/Deutschlandfunk: "Werden die Interessen von Kindern
und Jugendlichen zu
wenig berücksichtigt?"
Verkehrtes
des gesellschaftlichen Diskurses über den Stellenwert und
die "Zukunft" der jungen Generation
Ein in Vorkriegs- und Kriegszeiten lancierter Luxus eigener Art: Leiden "nachhaltiges" Kaufen und "fair trade" unter der inflationsbedingten Kaufzurückhaltung?
Es liegt irgendwie auf der Hand: wer unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit (sowas wie Schonung der Umwelt vor schädlichen Eingriffen) käuferisch sich betätigt, verschafft sich im Zahlen relativ höheren Preises für Bioware ein besseres Gewissen, damit einen Beitrag zu leisten als Dienst an der natürlichen Umwelt. Der Unsinn besteht darin, gar nicht erst antasten zu wollen, wie Schädigendes an den natürlichen Existenzvoraussetzungen systemischer Art ist, mit der kapitalistischen Wirtschaftsweise eine Sorte Rücksichtslosigkeit einreißt, die alle Produktionsmomente als kostengünstige Faktoren für den ökonomischen Gewinn taxiert. Dieses flächendeckende, weltweite Prinzip bleibt in Kraft, wenn sich irgendwer als Nische darin einnistet, mit weniger Rohheit zu Werke zu gehen - wo dann bezeichnender Weise dies genauso wie alles im Weltkapitalismus als Geschäft abgewickelt wird und gemäß der üblichen kapitalistischen Logik dem Verbraucher als Verteuerung einzuleuchten habe, wenn dieser das Edlere aus dem Bioladen oder fair-trade-Unternehmen sich angelegen sein lässt.
Wenn jetzt in Kriegszeiten die Verbraucher es mit Extra-Preissprüngen zu tun kriegen, die seine Einteilungskünste noch ganz anders fordern, dann ist für Experten für nachhaltiges Wirtschaften und Kaufen wie für fair trade nicht etwa dies der Anlass, mal kritisch anzumerken, wie an den Leuten die Armut befördert wird, dass sie durch die Preissetzer von der Unternehmerfront nach Strich und Faden ausgenutzt werden, dass es als normale marktwirtschaftliche Gesetzmäßigkeit gilt, dass Kostentreibendes für die Damen und Herren Unternehmer selbstverständlich an die Kunden weiterzureichen ist, weil der Profit keinesfalls geschmälert werden darf. Stattdessen wird der zynische Unsinn verbreitet, dem Idealismus der Zugeneigtheit zu Nachhaltigem und fairem Handel "kreativ" mit dem Zwang zu Verzicht zu verbinden: sich des künftigen "Gewinns" durch rücksichtsvolleres Bewirtschaften darüber weiterhin zu versichern, dass man an anderem spart statt an nachhaltig Produziertem oder Fair-Trade-Angeboten.
Dieser Zynismus lässt sich noch so steigern, dass in den Kreisen von Alternativ-Wirtschaftlern die Vorstellung kursiert, dass ausgerechnet die Benutzten und Opfer der kapitalistischen Produktionsweise im Preis so ziemlich vollständig die sog. externen Kosten zu erstatten hätten, nämlich die Kosten aufgrund der unternehmerseitig verursachten Umweltschäden. Dies hat dann auch noch den Irrsinn an sich, statt mit den kapitalistischen Gründen für die Umweltruinierung diese aus der Welt zu schaffen, mit der Preiserstattung durch die armseligen Verbraucher das Geld einzusammeln zu wollen für die Reparatur fortbestehender Naturversauung durch die Kapitalisten.
(Quelle: Deutschlandfunk, Sendung "Agenda" v. 25.5.22)
"Was macht Frauen in Deutschland zu Familienernährerinnen?"
(W. Brehmer et al.: in WSI-Report Nr. 70, Januar 2022)
"In
einer steigenden Zahl von Haushalten erwirtschaften Frauen
das Haupteinkommen. Es gibt jedoch keine Hinweise darauf,
dass dies an veränderten Rollenbildern liegt.
Der Mann verdient das Geld, die Frau hütet Haushalt und
Kinder. Das war einst das unangefochtene Standardmodell der
familiären Arbeitsteilung. Abgelöst wurde es vom
Hinzuverdienermodell, in dem die Frau zumindest den
kleineren Teil des Erwerbseinkommens beisteuert. Im modernen
Zweiverdienermodell schließlich kommen beide Partner auf
ähnliche Einkommen. Vergleichsweise selten kommt es jedoch
bis heute vor, dass die Frau die Hauptverdienerin, die
Familienernährerin ist."
(zitiert nach:
https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-mehr-hauptverdienerinnen-39047.htm)
Die Redeweise von ‚Modellen familiärer Arbeitsteilung‘ tut so,
als ob die Bewältigung von nichts als Notwendigkeiten, wie
erstens das Geldverdienen und zweitens die Organisation
famliärer Erfordernisse eine Frage von Entscheidungshoheit
wäre bzw. diese idealerweise sein sollte, nämlich gemäß einer
Einstellungssache, wie man es mit Rollenbildern halte. Die
beinharten Unterschiede, wie es Männern und Frauen im
bürgerlichen Erwerbsleben so ergeht, ist die Quelle, daran
entlang die Frage eines ideellen Status im Verhältnis von Mann
und Frau dranzuheften und sich so gründlich zu trennen von der
Klärung, woher die Differenzen in den Lagen in materieller
Hinsicht sich begründen. Der Schrei nach Gleichberechtigung
kümmert sich mitnichten darum, wie Gleichbehandlung diejenige
in der prinzipiell gleich trostlosen Situation von Mann und
Frau als Lohnabhängige ist.
"Unter
welchen Umständen werden Frauen nun zu
Familienernährerinnen? Denkbar wären verschiedene
Entwicklungen und Motive. Zum Beispiel könnten sich gut
ausgebildete Frauen mit Karriereambitionen mit Männern
zusammentun, die keine Selbstverwirklichung im Beruf
anstreben, sondern sich ihre Energie lieber für die Kinder
aufsparen. Tatsächlich ist die Bandbreite der
Konstellationen recht groß, trotzdem konnten die Forschenden
eine Reihe typischer Muster herausfiltern." (ebenda)
Sollte man meinen, dass in dem Falle, wo Männer mal auf
‚Karriere‘ verzichten, und stattdessen die gut ausgebildete
Frau die Familienernährerin macht, dies von einem Stück
Emanzipation künden würde davon, dass nicht mehr einseitig der
Mann die herausragende Stellung im Verhältnis der Geschlechter
einnehme, kündet dies von nichts anderem als dem Dementi des
Unsinns von den Rollenbildern, denen man für sich, als solche
hinterherjagen sollte: jetzt übernimmt nämlich der Mann die
familiären Obliegenheiten, was zum Hintergrund hat, dass sich
Kümmern um Kinder und zugleich Erwerbsarbeit ausschließen. Und
wenn die „Motive“ zeitigen, dass jetzt in der Hauptsache die
Frau anschaffen ginge, dann wird man drauf gestoßen, dass die
Arbeitsteilung in der Familie nichts als schnöde Angelegenheit
materieller Art ist: das Einkommen der Frau muss nämlich in
diesen seltenen Fällen, wo der Mann mal den Haushalts- und
Erziehungsmanager statt der Frau macht, so beschaffen sein,
dass man sich derartige Verabredungen, wer arbeiten geht und
wer Haushalt und Familie schmeißt, leisten kann.
"Der
Faktor mit dem größten Einfluss ist der Erwerbsstatus des
Mannes. Am häufigsten werden Frauen schlicht dadurch zu
Hauptverdienerinnen, dass der Mann seinen Job verliert. In
die gleiche Richtung wirkt – oft unfreiwillige – Teilzeit-
oder geringfügige Beschäftigung des Mannes. Das erklärt den
Forschenden zufolge auch einen Teil des Anstiegs der Zahl
der Familienernährerinnen-Haushalte: In den
Untersuchungszeitraum fällt die große Finanz- und
Wirtschaftskrise, die gerade viele Männer ihren Arbeitsplatz
gekostet oder ihnen zumindest Kurzarbeit beschert hat – ein
Effekt, der auch in anderen europäischen Ländern die
Haushalte mit Hauptverdienerin vermehrt hat...
Die Haushalte von Familienernährerinnen zählen in aller
Regel nicht zu den wohlhabenden. Knapp die Hälfte rangiert
in einer prekären Einkommenssituation, so die Forschenden,
und rund 20 Prozent sind im strengen Sinne arm...“
(ebenda)
Jetzt entdecken die Forscher, dass immer mehr Frauen zu
Hauptverdienerinnen aus nichts als materiellen Nöten heraus
werden: Mann arbeitslos, auf Kurzarbeit oder Teilzeit gesetzt–
und dann auch noch nichts als „prekäre Einkommenssituation“ im
Falle der Frau als Familienernährerinnen vorliegt. Dies ist
alles andere als Anlass, den idealistischen Quatsch von sich
ändern sollenden Rollenbildern sein zu lassen, also davon
abzulassen, die Statusfrage im Verhältnis der Geschlechter auf
der Grundlage, unter Fortwirkung systematisch erzeugter
prekärer Existenzen zum Hauptanliegen zu machen. Kaum erheben
sie statistisch, wie beschissen es in Arbeiterhaushalten mit
Frauen als Hauptverdienerinnen zugeht, wollen die Forscher ums
Verrecken sich nicht davon trennen, den Staat anzurufen,
mitten im grassierenden, bleibendem Arbeiterelend die
„konsequente Gleichstellung von Männern und Frauen“
hochzuhalten.