Projekt  kritische Analyse
bürgerlicher Sozialpolitik

Sozialreformen in der BRD
- Analyse und Kritik -
 
 


Highlights sozial-, familien- und sonstiger gesellschaftspolitischer Dummheiten und Gemeinheiten - Teil 4

03.08.2022 - Sendung "Agenda"/Deutschlandfunk: "Werden die Interessen von Kindern und Jugendlichen zu
wenig berücksichtigt?"

Verkehrtes des gesellschaftlichen Diskurses über den Stellenwert und die "Zukunft" der jungen Generation

Wenn konstatiert wird, dass die Äußerung eines politischen Willens sich anzuhören was anderes sei, als dass es in politisches Handeln eingehe, daraus könnte man entnehmen: als was oder wofür die Jungen längst unabhängig von deren Wollen eingeplant sind seitens der Politik. Zweitens ist das Bedürfnis nach Gehör und Mitentscheidung im Allgemeinen affirmativ darauf bezogen, als was sie in der herrschenden politischen Agenda vorkommen - auch wenn es da nicht im einzelnen Deckungsgleichheit von politischem "Wunschkatalog" und Staatsräson geben muss. Dies ist eben das Gegenteil von Kritik daran, wie die Obrigkeit die Leute als herrschafts- und kapitalwirtschaftsnützliches Material vorsieht.
Mehr Entscheidungsspielraum auf welchen politischen Ebenen auch immer zu fordern, lässt sich darauf ein und wird praktisch darauf festgelegt, dass irgendwelches Einzelinteresse sich zurechtzustutzen hat darauf, was als Allgemeininteresse der Nation implementiert ist, also das spezielle Interesse sich zurückzunehmen hat zugunsten des höheren nationalen Interesses - es sei denn beides fällt sogleich ineins. In dem Zusammenhang auf Herabsetzung des Wahlalters zu dringen, um sich als Jugend mehr "einbringen" zu können, trifft genau auf den Umstand, dass die sich zur Wahl Stellenden über den Wahlakt gerade die Freiheit ihrer Entscheidungsmacht von den Wählenden und deren Sonderinteressen bestätigen lassen.
An regelrechter Staatsfrömmigkeit  grenzt es, wenn kritisch umtriebige Jugendliche darauf pochen, dass sie doch die "Zukunft" (der Nation) seien und von daher mehr Mitsprache gerechtfertigt sei: sich darauf berufen, wie der Staat die Leute als nationales und ökonomisches Potential auf deren Kosten herrichtet, soll dafür sprechen, mehr politisches Gehör sich zu verschaffen. Dies erscheint nur demjenigen nicht als die Absurdität, die es darstellt, der die von Staats wegen vorgesehene Rolle der Jungen im nationalen und kapitalistischen Getriebe in ein schöneres Licht taucht, als der realiter anzusehen ist.
Wenn eine Hörerin darauf verweist, man sei als Familie damit ausgelastet, sein Einkommen zu besorgen, deswegen einem politisches Engagement abgehe, so entzieht man sich so zwar der Kritik am eingerichteten Verhältnis von oben und unten, zieht sich darauf zurück, wie man als ohnmächtiger Mitmacher gefragt ist - es stellt allerdingst durchaus ab auf ein Körnchen Wahrheit über die "Arbeitsteilung", wie die im bürgerlichen Laden organisiert ist: die einen besorgen in der Masse mit ihrer Lohnarbeit der Politik die materielle Grundlage dafür, dass die ganz frei ihre Kommandogewalt ausüben kann, unbehelligt die Nützlichkeit des Volkes für Staat und Kapital herbeiregiert.

25.05.2022:           
Ein in Vorkriegs- und Kriegszeiten lancierter Luxus eigener Art: Leiden "nachhaltiges" Kaufen und "fair trade" unter der inflationsbedingten Kaufzurückhaltung?
Es liegt irgendwie auf der Hand: wer unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit (sowas wie Schonung der Umwelt vor schädlichen Eingriffen) käuferisch sich betätigt, verschafft sich im Zahlen relativ höheren Preises für Bioware ein besseres Gewissen, damit einen Beitrag zu leisten als Dienst an der natürlichen Umwelt. Der Unsinn besteht darin, gar nicht erst antasten zu wollen, wie Schädigendes an den natürlichen Existenzvoraussetzungen systemischer Art ist, mit der kapitalistischen Wirtschaftsweise eine Sorte Rücksichtslosigkeit einreißt, die alle Produktionsmomente als kostengünstige Faktoren für den ökonomischen Gewinn taxiert. Dieses flächendeckende, weltweite Prinzip bleibt in Kraft, wenn sich irgendwer als Nische darin einnistet, mit weniger Rohheit zu Werke zu gehen - wo dann bezeichnender Weise dies genauso wie alles im Weltkapitalismus als Geschäft abgewickelt wird und gemäß der üblichen kapitalistischen Logik dem Verbraucher als Verteuerung einzuleuchten habe, wenn dieser das Edlere aus dem Bioladen oder fair-trade-Unternehmen sich angelegen sein lässt.
Wenn jetzt in Kriegszeiten die Verbraucher es mit Extra-Preissprüngen zu tun kriegen, die seine Einteilungskünste noch ganz anders fordern, dann ist für Experten für nachhaltiges Wirtschaften und Kaufen wie für fair trade nicht etwa dies der Anlass, mal kritisch anzumerken, wie an den Leuten die Armut befördert wird, dass sie durch die Preissetzer von der Unternehmerfront nach Strich und Faden ausgenutzt werden, dass es als normale marktwirtschaftliche Gesetzmäßigkeit gilt, dass Kostentreibendes für die Damen und Herren Unternehmer selbstverständlich an die Kunden weiterzureichen ist, weil der Profit keinesfalls geschmälert werden darf. Stattdessen wird der zynische Unsinn verbreitet, dem Idealismus der Zugeneigtheit zu Nachhaltigem und fairem Handel "kreativ" mit dem Zwang zu Verzicht zu verbinden: sich des künftigen "Gewinns" durch rücksichtsvolleres Bewirtschaften darüber weiterhin zu versichern, dass man an anderem spart statt an nachhaltig Produziertem oder Fair-Trade-Angeboten.
Dieser Zynismus lässt sich noch so steigern, dass in den Kreisen von Alternativ-Wirtschaftlern die Vorstellung kursiert, dass ausgerechnet die Benutzten und Opfer der kapitalistischen Produktionsweise im Preis so ziemlich vollständig die sog. externen Kosten zu erstatten hätten, nämlich die Kosten aufgrund der unternehmerseitig verursachten Umweltschäden. Dies hat dann auch noch den Irrsinn an sich, statt mit den kapitalistischen Gründen für die Umweltruinierung diese aus der Welt zu schaffen, mit der Preiserstattung durch die armseligen Verbraucher das Geld einzusammeln zu wollen für die Reparatur fortbestehender Naturversauung durch die Kapitalisten.
(Quelle: Deutschlandfunk, Sendung "Agenda" v. 25.5.22)


Verkehrtes einer Studie:

"Was macht Frauen in Deutschland zu Familienernährerinnen?"

(W. Brehmer et al.: in WSI-Report  Nr. 70, Januar 2022)

"In einer steigenden Zahl von Haushalten erwirtschaften Frauen das Haupteinkommen. Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass dies an veränderten Rollenbildern liegt.
Der Mann verdient das Geld, die Frau hütet Haushalt und Kinder. Das war einst das unangefochtene Standardmodell der familiären Arbeitsteilung. Abgelöst wurde es vom Hinzuverdienermodell, in dem die Frau zumindest den kleineren Teil des Erwerbseinkommens beisteuert. Im modernen Zweiverdienermodell schließlich kommen beide Partner auf ähnliche Einkommen. Vergleichsweise selten kommt es jedoch bis heute vor, dass die Frau die Hauptverdienerin, die Familienernährerin ist."

(zitiert nach: https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-mehr-hauptverdienerinnen-39047.htm)

Die Redeweise von ‚Modellen familiärer Arbeitsteilung‘ tut so, als ob die Bewältigung von nichts als Notwendigkeiten, wie erstens das Geldverdienen und zweitens die Organisation famliärer Erfordernisse eine Frage von Entscheidungshoheit wäre bzw. diese idealerweise sein sollte, nämlich gemäß einer Einstellungssache, wie man es mit Rollenbildern halte. Die beinharten Unterschiede, wie es Männern und Frauen im bürgerlichen Erwerbsleben so ergeht, ist die Quelle, daran entlang die Frage eines ideellen Status im Verhältnis von Mann und Frau dranzuheften und sich so gründlich zu trennen von der Klärung, woher die Differenzen in den Lagen in materieller Hinsicht sich begründen. Der Schrei nach Gleichberechtigung kümmert sich mitnichten darum, wie Gleichbehandlung diejenige in der prinzipiell gleich trostlosen Situation von Mann und Frau als Lohnabhängige ist.

"Unter welchen Umständen werden Frauen nun zu Familienernährerinnen? Denkbar wären verschiedene Entwicklungen und Motive. Zum Beispiel könnten sich gut ausgebildete Frauen mit Karriereambitionen mit Männern zusammentun, die keine Selbstverwirklichung im Beruf anstreben, sondern sich ihre Energie lieber für die Kinder aufsparen. Tatsächlich ist die Bandbreite der Konstellationen recht groß, trotzdem konnten die Forschenden eine Reihe typischer Muster herausfiltern." (ebenda)

Sollte man meinen, dass in dem Falle, wo Männer mal auf ‚Karriere‘ verzichten, und stattdessen die gut ausgebildete Frau die Familienernährerin macht, dies von einem Stück Emanzipation künden würde davon, dass nicht mehr einseitig der Mann die herausragende Stellung im Verhältnis der Geschlechter einnehme, kündet dies von nichts anderem als dem Dementi des Unsinns von den Rollenbildern, denen man für sich, als solche hinterherjagen sollte: jetzt übernimmt nämlich der Mann die familiären Obliegenheiten, was zum Hintergrund hat, dass sich Kümmern um Kinder und zugleich Erwerbsarbeit ausschließen. Und wenn die „Motive“ zeitigen, dass jetzt in der Hauptsache die Frau anschaffen ginge, dann wird man drauf gestoßen, dass die Arbeitsteilung in der Familie nichts als schnöde Angelegenheit materieller Art ist: das Einkommen der Frau muss nämlich in diesen seltenen Fällen, wo der Mann mal den Haushalts- und Erziehungsmanager statt der Frau macht, so beschaffen sein, dass man sich derartige Verabredungen, wer arbeiten geht und wer Haushalt und Familie schmeißt, leisten kann.

"Der Faktor mit dem größten Einfluss ist der Erwerbsstatus des Mannes. Am häufigsten werden Frauen schlicht dadurch zu Hauptverdienerinnen, dass der Mann seinen Job verliert. In die gleiche Richtung wirkt – oft unfreiwillige – Teilzeit- oder geringfügige Beschäftigung des Mannes. Das erklärt den Forschenden zufolge auch einen Teil des Anstiegs der Zahl der Familienernährerinnen-Haushalte: In den Untersuchungszeitraum fällt die große Finanz- und Wirtschaftskrise, die gerade viele Männer ihren Arbeitsplatz gekostet oder ihnen zumindest Kurzarbeit beschert hat – ein Effekt, der auch in anderen europäischen Ländern die Haushalte mit Hauptverdienerin vermehrt hat...
Die Haushalte von Familienernährerinnen zählen in aller Regel nicht zu den wohlhabenden. Knapp die Hälfte rangiert in einer prekären Einkommenssituation, so die Forschenden, und rund 20 Prozent sind im strengen Sinne arm...“
(ebenda)

Jetzt entdecken die Forscher, dass immer mehr Frauen zu Hauptverdienerinnen aus nichts als materiellen Nöten heraus werden: Mann arbeitslos, auf Kurzarbeit oder Teilzeit gesetzt– und dann auch noch nichts als „prekäre Einkommenssituation“ im Falle der Frau als Familienernährerinnen vorliegt. Dies ist alles andere als Anlass, den idealistischen Quatsch von sich ändern sollenden Rollenbildern sein zu lassen, also davon abzulassen, die Statusfrage im Verhältnis der Geschlechter auf der Grundlage, unter Fortwirkung systematisch erzeugter prekärer Existenzen zum Hauptanliegen zu machen. Kaum erheben sie statistisch, wie beschissen es in Arbeiterhaushalten mit Frauen als Hauptverdienerinnen zugeht, wollen die Forscher ums Verrecken sich nicht davon trennen, den Staat anzurufen, mitten im grassierenden, bleibendem Arbeiterelend die „konsequente Gleichstellung von Männern und Frauen“ hochzuhalten.